

Camino Fisterra Tagesetappe 10,2 km
E1: Santiago de Compostela - Ventosa
Unterwegs mit Sandra auf dem Camino a Fisterra
Der Camino a Fisterra ist der einzige Pilgerweg, der nicht in Santiago endet, sondern dort beginnt. Genaugenommen ist es deshalb eigentlich kein Jakobsweg, aber natürlich wird er trotzdem von vielen als Verlängerung des Camino Francés gesehen. Manche Pilger, die angekommen sind nach ihrer lebenseinschneidenden Erfahrung der letzten Wochen, sind froh der geschäftigen und den durchaus feierfreudigen Absichten ihrer Besucher noch einmal gen Westen den Rücken kehren zu können. Für eine letzte Auszeit bevor es zurückgeht in das alte Leben, dem man unterwegs prima entkommen konnte. Weil sie noch ans Cap wollen, nach Fisterra, was für die Menschen im Mittelalter bedeutete: das Ende der bekannten Welt. An den rauhen Atlantik zum Leuchtturm, in dessen Sichtweite diese berühmte Markierung steht: der letzte Kilometerstein. Der mit der 0.
Auch ich möchte zu dieser Null. Und deshalb verlasse ich Santiago an einem Morgen Mitte Mai mit gemischten Gefühlen. Das Wetter ist frühlingshaft perfekt. Ich bin extra noch einmal angereist aus Deutschland, um diesen Weg zu gehen, nachdem ich ein gutes halbes Jahr zuvor meinen Camino Francés in Santiago beendet hatte. Damals fehlte mir die Zeit für diese Verlängerung, die letzten 90 Kilometer, obwohl die Sehnsucht schon da war. Ich muss allerdings auch zugeben - Ende Oktober war das Wetter echt mies zu mir gewesen auf den letzten Tagen vor Santiago. Nass, sehr stürmisch, grau und kalt. Ich hatte eine fette Erkältung. Es wären keine glorreichen Tage geworden Richtung Leuchtturm. Eine Bustour als Alternative kam für mich jedoch auch nicht in Frage. Nach den vielen Kilometern zu Fuß konnte ich es mir einfach nicht vorstellen.
Einerseits bin ich voll Vorfreude auf das, was mich nun erwartet, andererseits weiß ich natürlich, es sind nur einige Tage die vor mir liegen, kaum Zeit das Pilgerfeeling aufleben zu lassen, das mich auf meinem Weg von Saint-Jean nach Santiago erfüllt hat. Und das ist auch der Grund, weshalb der erste Tag bereits in Ventosa enden soll, obwohl die Entfernung von Santiago eigentlich für eine ausgeschlafene Pilgerin zu kurz ist, um dort bereits zu übernachten. Aber ich habe Zeit, möchte den Weg und die Natur genießen und so lange wie möglich in mich aufnehmen.



Erste Eindrücke
Nachdem ich die Stadt verlassen habe, wird der Weg gesäumt von hoch gemauerten Steinwänden hinter denen sich Anwesen verbergen, die sich die Natur im Laufe der Jahre fast wieder zurück erobert hat, und es geht hinein ins hügelige, galicische Hinterland. Saftiges grün, sonnengelb und ein verwittertes holzbaun sind die vorherrschenden Farben unterwegs. Ich empfind es es als sehr idyllisch. Die Vögel zwitschern, was das Zeug hält, aber sonst ist sehr wenig Betrieb und kaum andere Pilger unterwegs.



Erste Begegnungen
Es geht vorbei an müden Vierbeinern mit Schlappohren und hungrigen Vierbeinern mit Klappohren. Natürlich habe ich auch für die pilgernde Nachwelt wieder einige Pilgersteine dabei, die ich vornehmlich an den Streckenmarkierungssteinen zurücklasse. Eine kurze Pilgerstrecke für die Steine bis zum Ende der Welt. Oder nach Muxia.


Hórreos?
Auf den Mauern wachsen oftmals diese Büschel leuchtend pinke Mittagsblumen, was mich mal wieder extrem begeistert. Und auch den alten Hórreos, so heißen diese schmalen Dinger, die für mich Zwergenkapellchen ähneln, aber traditionell als Speicher für Feldfrüchte genutzt wurden, bringe ich Bewunderung entgegen. Diesen in die Höhe gebauten, freistehend und mir bislang unbekannten Konstruktionen begegne ich hier erstmalig bewusst.
Sie sind meist aus Stein gebaut. Das Charakteristische an ihnen ist der in der Regel ca. ein Meter hohe Unterbau. Darauf ruht der Speicher, dessen Wände und Türen mit Luftschlitzen versehen sind. Grund für diese Bauweise sind die klimatischen Bedingungen im Nordwesten Spaniens, die auch ich im vergangenen Oktober kennenlernen durfte: Regenmengen von bis zu 2000 mm pro Jahr sind in Galicien nicht selten; die daraus resultierende hohe Luftfeuchtigkeit lässt die Vorräte bei schlechter Durchlüftung verrotten. Gleichzeitig dürfen aber keine Mäuse oder Ratten durch die Lüftungsöffnungen eindringen. Das wäre sonst extrem dumm gelaufen.
Heutzutage werden jedoch nur noch wenige Horreos als Speicher benutzt, sondern stellen wohl mehr eine Erinnerung an ein kulturelles Erbe dar. Dieser auf dem Foto steht im Garten meiner ersten Albergue und ich habe kurz Angst, das dies mein Schlafplatz sein wird. Aber nur ganz kurz.


Übernachtung
Mein erster Pilgertag ist kurz. So halte ich es eigentlich immer gerne. Zum eingewöhnen nicht mehr als 15 Kilometer.
Plötzlich steht da dieses Holzschild mit gelber Schrift. So ein Schild auf dem "Albergue" und "Cafeteria" drauf steht ist immer willkommen. Hier bleibe ich. Meine erste Dose Casa Limon findet kurz darauf ihren Inhalt in meinen Mund. Ach, wie hatte ich das vermisst! Eine kalte Zitronenlimo verschwitzt und erhitzt hinunterzustürzen. Nirgends schmeckt die so gut wie in Spanien. Nirgends. Eine schnuckelige Herberge mit Restaurant ist das "Casa do Boi". Da gibt es nichts zu meckern .Ich esse gut, sonne mich im Garten und erkunde später noch ein wenig die Gegend.

Dabei stoße ich auf diese bemalte Wand in der Nähe: Aha, hier sind schon Pilger vorbeigezogen Richtung Leuchtturm, als noch die Ochsen allein den Karren voll Mais vom Feld gezogen haben.

Mein Tipp
Für den Camino Fisterra kann man sich einen extra Pilgerpass besorgen, denn der, den man in Santiago im Pilgerbüro für den Erhalt der Compostela vorgezeigt hat, wird dort mit einem Stempel offiziell beendet.
Diesen "Leuchtturmpass" erhält man in der Touristeninfo von Galicien in SdC, Rua do Vilar.
Wenn man den Weg vollständig zu Fuß bis nach Fisterra und weiter nach Muxia geht, kann man sogar zwei Zertifikate erhalten:
Die Fisterrana (in der öffentlichen Herberge in Fisterra) und die Muxiana (im Haus der Kultur in Muxia).
